Wie entstanden die Ortsnamen Klein- und Großheringen?
Sieht man sich die Wetterfahne auf dem Kirchturme von Großheringen genauer an, so findet man in ihr einen Fisch angebracht. Wenn man gar ein amtliches Schreiben von der Gemeindeverwaltung [Großheringen] erhält, so kann man im Gemeindesiegel neben der „Göttin der Gerechtigkeit“ mit dem Schwert und Waage auch zwei Fische feststellen. Der oberflächliche Beschauer führt diese beiden Tatsachen sicher auf den Namen der Orte und diesen wieder auf den Fisch- oder gar Heringsreichtum der Saale und Ilm zurück. Der Hering ist aber nun auch früher niemals ein Flussfisch gewesen, und der Fischreichtum beider Gewässer liegt auch nicht über dem Normalen anderer Flüsse.
Dass die Fischzeichen in Wetterfahne und Siegel vom Ortsnamen abgeleitet sind, unterliegt keinem Zweifel, denn die Orte haben schon vor Wetterfahne und Siegel bestanden. Dass der Name also nichts mit dem Hering zu tun hat, soll ein kleiner Rückblick in die Vergangenheit erweisen.
Seit der großen Völkerwanderung im 4. Jahrhundert, saßen von Osten her bis zur Elbe und Saale die heidnischen Wenden. Sie waren durch ihre Rassenverwandtschaft die natürlichen Verbündeten der Magyaren (Ungarn). Heinrich, der sogenannte Städtebauer, hat gegen sie mit allen Mitteln gekämpft, um die germanischen Lande von ihrem Weitervordringen zu schützen. Nicht weit von hier, in der Nähe von Artern (damals Riade genannt), kam es 933 zu einer entscheidenden Schlacht. In diesen Zeiten bildete die Saale auch in der Nähe von Großheringen die Grenze zwischen Slaven und Germanen. Von letzteren wurden zur Grenzbefestigung vor allem an den für Furten geeignete Stellen der Saale Feldwachen angelegt. Solch eine größere Feldwache, schon mehr ein Feldlager, befand sich an der Saalefurt da, wo jetzt Großheringen liegt, westlich der Saale, und eine kleinere Feldwache, mehr ein Vorposten, war über die Saale nach Osten vorgeschoben in die Gegend, wo jetzt Kleinheringen liegt.
Aus diesen beiden Befestigungen entstanden auch nach und nach Siedlungen; denn hier gingen ja auch die Hauptverkehrswege von Westen nach Osten und umgekehrt vorbei. Die Feldwache Kleinheringen ist später sich von den Wenden wieder in Besitz genommen und eine wendische Siedlung geworden. Die heutige Dorfanlage zeigt noch ganz deutlich den typisch hufeisenförmigen nur nach Osten geöffneten wendischen Baustil (Rundling), den wir bei allen wendischen Siedlungen wiederfinden. Großheringen dagegen ist ein ausgesprochenes Straßendorf, das heißt, seine Häuser liegen links und rechts der Straße entlang.
Wie kamen die beiden Orte nun zu ihrem Namen? Die vorgenannten Feldlager oder Feldwachen hießen in damaliger Zeit „Harung“. So war bei Großheringen das große Harung und bei Kleinheringen das kleine Harung. In dem Worte Harung liegt die Bedeutung des Geschütztseins. Wir finden den gleichen Stamm in der Bezeichnung der Schutzkleidung des Ritters, dem Harnisch wieder. Auch im Worte „Haar“ finden wir die Wortverwandtschaft. Eine Abwandlung des Wortes ist „Heer“. (Der Fisch Hering hat seinen Namen daher, weil er in Heeren – Schwärmen – auftritt.) In alten Schreibweisen findet man für Großheringen die Bezeichnung Groß-Häringen, hier wandelt sich also das a zum ä, bis man später aus dem ä ee machte. Vor ungefähr 50 Jahren schrieb man noch Großheeringen, dann setzte sich die heutige Schreibweise durch. Was hier von Großheringen gesagt ist, trifft fast immer auch auf Kleinheringen zu.
Ja, das ist alles gut und schön; doch wie kam man nun zu den Fischzeichen in Wetterfahne und Siegel? Doch nur so, dass im 19.Jahrhundert die Gemeinden bei der Anschaffung eines Siegels versuchten, ihre Ortsnamen recht sinnfällig zu machen. Ein damaliger Gemeinderat von Großheringen machte sich die Sache leicht und glaubte beim Namen seines Dorfes eben an einen Hering. Der Kunstschmied der Wetterfahne (1891) glaubte wieder, er müsse „der Ordnung halber“ das Zeichen des Siegels in die Wetterfahne bringen. Wenn uns also anfänglich diese beiden Zeichen ein Rätsel aufgaben, so dürfte uns nun ihr Vorhandensein klar sein. Bei dieser kleinen Betrachtung kommen wir aber auch zu der Erkenntnis, dass Groß- und Kleinheringen doch sehr alte Ortschaften sind, dass beide berechtigt sind, auf eine tausendjährige geschichtliche Vergangenheit zurückblicken. Vielleicht bietet sich später die Gelegenheit, einmal wieder einen Abstecher in die Vorgeschichte unserer Gegend zu machen.
Quelle: Amtsblatt der Stadt Bad Sulza Nr. 04/08, Rubrik Gemeinde Großheringen, vom 10. April 2008